Im März wurden sie neu gewählt, nun stellen sich die neuen Vorstände der BAO in Einzelinterviews vor und erläutern, was sie anpacken wollen und wie sich die BAO weiterentwickeln wird. Dieses Mal im Interview, Vorstandsmitglied Ludger Nienhaus.
Ludger, du bist Co-Schulleiter des Instituts für angewandte Osteopathie, IFAO, und wurdest dieses Jahr in den Vorstand der BAO gewählt. Kannst du dich bitte erst einmal vorzustellen, bevor wir über das Thema Wissenschaft sprechen, das du innerhalb der BAO vorantreiben willst?
Ich bin als Diplom-Psychologe in eigener Praxis beratend und therapeutisch tätig. Mit dem Institut für angewandte Osteopathie bin ich 2005 über die Betreuung einer DO-Arbeit sowie über die Konzeptionierung und Etablierung des Faches Wissenschaftliches Arbeiten in Berührung gekommen. Etwa zu diesem Zeitpunkt hatte die BAO das Fach als Bestandteil ihres Rahmencurriculums verabschiedet. Als ich dann gefragt wurde, ob ich beim IFAO tätig werden wolle, habe ich aufgrund meiner früheren Erfahrungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Industrieunternehmen und meines Interesses an dem Gebiet rasch Ja gesagt. In den folgenden Jahren durfte ich bei meiner Arbeit für das IFAO dann feststellen, wie viel Motivation die Osteopathie unter den Lernenden erzeugt und wie viel Spaß es macht, in einem solchen Umfeld arbeiten zu dürfen.
Du vertrittst die Forschungskommission der BAO. Was macht die Forschungskommission, wofür genau ist sie zuständig?
Im Augenblick geht es uns in erster Linie um das kritische Lesen von Arbeiten, die bei uns eingereicht werden. Da wir uns als BAO um die Qualifikation von Dozentinnen und Dozenten für Osteopathie-Institute kümmern, war es für uns vor einigen Jahren ein naheliegender Schritt, diese Möglichkeit zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus hat die Kommission heute keine wirklich festen Aufgaben. Dies wollen wir aber weiterentwickeln. Dabei ist uns wichtig, in Kooperation mit anderen Akteuren in diesem Bereich gehen, damit Dinge nicht doppelt gemacht werden. Das würde aus unserer Sicht die Wirkkraft aller Beteiligten eher schmälern als stärken.
Wenn es darum geht, sich mit Osteopathie wissenschaftlich zu beschäftigen, denkt man an wissenschaftliche Abschlussarbeiten, wie eine D.O. BAO-Arbeit, oder an Fachartikel, wie sie in unserer Verbandszeitschrift “Osteopathische Medizin” erscheinen. Müssten hier nicht deutlich mehr Aspekte berücksichtigt werden?
Ja, das sehen wir auch zunehmend. Im Rahmen der Sitzungen der Schulleiter stellen wir immer wieder fest, dass das Thema viele Möglichkeiten aufwirft. So haben wir z.B. wiederholt diskutiert, ob die heute zum Teil sehr mechanisch befolgten Regeln medizinwissenschaftlichen Arbeitens für die Osteopathie so passen.
Ganz wichtig erscheint uns, dass man bei allen Bemühungen rund um das Thema die verschiedenen Zielgruppen im Auge behalten muss, die wichtig sind. Für den Austausch mit politischen Entscheidern, wie etwa auch mit der medizinischen Fachwelt, ist es wichtig, dass man sich ihrer Denksysteme bedient. Wenn man aber ausschließlich so arbeitet, greift das dann für einen echten Erkenntnisgewinn auf Seiten der Osteopathen unter Umständen wieder zu kurz oder geht nicht in die richtige Richtung. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir uns damit befassen, welchen Stellenwert die Wissenschaft für die Lehre hochwertiger Schulen haben soll.
Das klingt nach viel (wissenschaftlicher) Arbeit! Wie ist diese realistischerweise zu leisten?
Das geht unserer Ansicht nach nur mit einer guten Aufteilung. Die zur Verfügung stehenden Kräfte sind auch dann noch begrenzt, wenn man die ganze „osteopathische Community“, die man qualitativ auf dem Level der Konsensgruppe ansiedeln kann, gebündelt nutzen könnte. Es gibt ja bis heute keinen richtigen osteopathischen Lehrstuhl oder Ähnliches und vor allem keine wirklichen Forschungsgelder.
Gleichzeitig fangen wir aber auch nicht ganz von vorne an. Ich denke da beispielsweise an die Datenbank OstLib von Helge Franke. 2005 war so was fast nicht denkbar, heute gibt es sie. Und das mit den begrenzten Mitteln, die für solche Unterfangen insgesamt zur Verfügung stehen. Eine solche Datenbank ist wirklich eine tolle Errungenschaft.
Da wir wenig Mittel haben, wird es wichtig sein, an verschiedenen Stellen klug zu kooperieren.
Kannst du uns ein Beispiel für eine solche Kooperation nennen?
Ich nehme gerne noch einmal das Beispiel OstLib. Hier sollten die anderen Player im Feld der osteopathischen Wissenschaft jetzt zuarbeiten und nicht parallel eigene Standards entwickeln. So können Kräfte gebündelt und letztlich Ergebnisse verbessert werden.
Beim Thema Wissenschaftlichkeit wird gern auf die Besonderheiten der Osteopathie verwiesen, wie die manuelle Behandlung des Patienten als Individuum in seiner Gesamtheit und der wesentliche Anteil, den der Therapeuten hierbei spielt. Welche Konsequenzen sollte man hieraus für eine osteopathische Wissenschaft ziehen? Wie könnte osteopathisches Wissen auch noch geschaffen werden?
Hier fällt als einer der ersten Punkte ins Auge, dass wir über neue oder auf die Osteopathie angepasste Messverfahren nachdenken müssen. Wenn die palpatorischen Fertigkeiten, die Osteopathen erwerben, einen entscheidenden Unterschied in ihrem therapeutischen Handeln machen, dann ist es wichtig, diese in die wissenschaftliche Betrachtung mit einzubeziehen. Hier kann die Vorgehensweise für Forschungszwecke durchaus standardisiert werden. Es ist ja nicht nur wichtig, welche Ergebnisse osteopathisch erzielt werden können, sondern auch, auf welchen Wegen dies geschieht. Klar, wenn man dann noch apparative Verfahren unterstützend dazu nimmt, die palpatorische Befunde validieren helfen, wird es noch aussagekräftiger. Hierzu bräuchten wir letztlich eine gute Forschungsstrategie, die die wesentlichen Zielgruppen und Erkenntnisbereiche im Blick hat.
Ein erstes Treffen im Rahmen der an die BAO angeschlossenen Schulen wird im Herbst stattfinden.
Lieber Ludger, vielen Dank für das Interview!